Re: SERO (DDR) und "Es war einmal" Thema
Verfasst: Sa 26. Nov 2022, 17:51
Als bleibendes Erlebnis habe ich den Mauerfall in Berlin live miterlebt.
Ich war zu dieser Zeit nach Berlin auf eine Großbaustelle (Abwassersammler Marzan-Schöneweide) beordert worden und hatte in Schöneweide ein Zimmer. Meine Frau war gerade zu Besuch. Wir kamen abends aus dem Kino und machten nochmal den Fernseher an. Natürlich Westfernsehen! Da kam gerade, dass etwas Goßartiges geschieht, worauf wir Jahrzehnte lang gehofft haben. Wir waren total gebannt und haben die winkenden Menschen an den Grenzübergängen gesehen. Nach 23 Uhr waren wir uns einig, das mit zu erleben. Also anziehen und losfahren. Nur erst mal die Frage, wohin. Ich erinnerte mich, dass in der Nähe vom Flughafen Schönefeld ein Grenzübergang für die Westberliner Fluggäste war. Also dort hin. War von Schöneweide nicht weit. Als wir dort ankamen, mussten wir uns an einer schon recht langen Autoschlange anstellen. In dieser Schlange sah ich bereits einige Oldtimer Opel P4, Adler Junior, Mercedes 170V u.ä.. Die haben schnell die Gunst der Stunde ergriffen, um ihre Schätze in den Westen zu bringen. Auch fiel uns an der Grenze eine Gruppe von Offizieren auf, die im Kreis standen und diskutierten. Die verstanden sicher ihre Welt nicht mehr. Ganz anders war es am Schlagbaum. Hier kontrollierte ein junger Lanzer ganz entspannt unsere Ausweise. Er grinste sogar ins Auto und meinte, dass wir zu viel Platz hätten. Ich erwiderte, dass er ja mitkommen könnte. Er darauf, er hat noch bis 5 Uhr Dienst. Dann fuhren wir durch ein Menschenspalier hinter der Grenze, die alle Trabis mit einem Handschlag aufs Dach begrüßten. Bei uns ging das nicht, da wir einen VW T2 fuhren. Nach der Grenze war es dann recht dunkel und viel Wald. Da ich Westberlin überhaupt nicht kannte, stand die Frage, wie kommen wir zum Ku`damm? Nach der dritten oder vierten Ampel stand ein Golf mit jungen Leuten neben uns. Ich zeigte, dass sie mal das Fenster runterlassen und ich fragte, wie es zum Ku`damm geht? Ich bekam aber keine Antwort und es wurde grün. Nach einigen weiteren Ampeln stand der gleiche Golf wieder neben uns und der Beifahrer zeigte mir, dass ich das Fenster runterlassen sollte. „Ihr seid ja aus dem Osten! Wir dachten ihr wollt uns verarschen. Fahrt hinter uns her. Wir bringen euch zum Ku`damm.“ Dort angekommen, war dort schon die Hölle los. Einige machten Schaulaufen mit rauchenden Reifen usw.. Die 4 Studenten, so um die 30 Jahre, begleiteten uns. Der erste Anlauf war ein McDonald. Als wir drin waren, kam uns eine ältere Frau entgegen und wollte uns mit den Worten „Ihr kommt aus dem Osten!“ 5 DM in die Hand drücken. Wir mussten sie annehmen und unbedingt dort was kaufen. Meine Frage an sie war, wie sie uns als Ostler erkannt hat. Ihre Antwort war: „Ihr habt so leuchtende Augen.“ Danach schlugen die Studenten vor, noch mit in ihre Stammkneipe in der Nähe zu kommen, um zu feiern. Dort war es ca.1 Uhr noch recht voll und als sie erfuhren, woher wir kamen, gab es ein großes Hallo. Es wurden etliche Runden spendiert. Nach einiger Zeit legte meine Frau einen 100er Ostschein auf die Theke und sagte zum Wirt, dass wir jetzt auch mal ne Runde spendieren wollten. Ihm fiel die Kinnlade runter und er lehnte ab. Da gab es großen Widerspruch unter seinen Gästen, die dazu meinten, dass wir auch für dieses Geld gearbeitet haben und er es annehmen sollte. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Gegen 3 Uhr hat sich die Versammlung aufgelöst und wir gingen zu unserem Bus, um noch etwas zu schlafen. Um 7 Uhr wurde es dann zu laut um uns herum und wir starteten Richtung Ost-Berlin zum Checkpoint Charlie. Dort mussten wir uns auch wieder in eine, allerdings kürzere, Schlange einreihen. Da kam uns ein altes Mütterchen mit mehreren Einkaufstüten entgegen und stoppte bei uns, da sie gesehen hat, dass wir aus dem Osten sind. Wir sollten die Scheibe runter lassen und sie reichte uns eine Tüte mit den Worten „Ich bin ja so glücklich, dass die Mauer endlich auf ist.“ In der Tüte waren Apfelsinen, Bananen und Schokolade. Ich bekomme sogar jetzt noch beim Aufschreiben Gänsehaut, nach 33 Jahren.
Mein Dienst auf der Baustelle hätte 6 Uhr begonnen. Bin dann gleich zum Oberbauleiter gefahren, um mich zurück zu melden. Der hat aber nur gegrinst und gemeint, dass er es toll findet, dass ich noch da bin.
Das war eine spannende Zeit, die ich nie missen möchte.
Gruß Hajo
P.S. Ich hoffe das sprengt hier nicht den Rahmen.
Ich war zu dieser Zeit nach Berlin auf eine Großbaustelle (Abwassersammler Marzan-Schöneweide) beordert worden und hatte in Schöneweide ein Zimmer. Meine Frau war gerade zu Besuch. Wir kamen abends aus dem Kino und machten nochmal den Fernseher an. Natürlich Westfernsehen! Da kam gerade, dass etwas Goßartiges geschieht, worauf wir Jahrzehnte lang gehofft haben. Wir waren total gebannt und haben die winkenden Menschen an den Grenzübergängen gesehen. Nach 23 Uhr waren wir uns einig, das mit zu erleben. Also anziehen und losfahren. Nur erst mal die Frage, wohin. Ich erinnerte mich, dass in der Nähe vom Flughafen Schönefeld ein Grenzübergang für die Westberliner Fluggäste war. Also dort hin. War von Schöneweide nicht weit. Als wir dort ankamen, mussten wir uns an einer schon recht langen Autoschlange anstellen. In dieser Schlange sah ich bereits einige Oldtimer Opel P4, Adler Junior, Mercedes 170V u.ä.. Die haben schnell die Gunst der Stunde ergriffen, um ihre Schätze in den Westen zu bringen. Auch fiel uns an der Grenze eine Gruppe von Offizieren auf, die im Kreis standen und diskutierten. Die verstanden sicher ihre Welt nicht mehr. Ganz anders war es am Schlagbaum. Hier kontrollierte ein junger Lanzer ganz entspannt unsere Ausweise. Er grinste sogar ins Auto und meinte, dass wir zu viel Platz hätten. Ich erwiderte, dass er ja mitkommen könnte. Er darauf, er hat noch bis 5 Uhr Dienst. Dann fuhren wir durch ein Menschenspalier hinter der Grenze, die alle Trabis mit einem Handschlag aufs Dach begrüßten. Bei uns ging das nicht, da wir einen VW T2 fuhren. Nach der Grenze war es dann recht dunkel und viel Wald. Da ich Westberlin überhaupt nicht kannte, stand die Frage, wie kommen wir zum Ku`damm? Nach der dritten oder vierten Ampel stand ein Golf mit jungen Leuten neben uns. Ich zeigte, dass sie mal das Fenster runterlassen und ich fragte, wie es zum Ku`damm geht? Ich bekam aber keine Antwort und es wurde grün. Nach einigen weiteren Ampeln stand der gleiche Golf wieder neben uns und der Beifahrer zeigte mir, dass ich das Fenster runterlassen sollte. „Ihr seid ja aus dem Osten! Wir dachten ihr wollt uns verarschen. Fahrt hinter uns her. Wir bringen euch zum Ku`damm.“ Dort angekommen, war dort schon die Hölle los. Einige machten Schaulaufen mit rauchenden Reifen usw.. Die 4 Studenten, so um die 30 Jahre, begleiteten uns. Der erste Anlauf war ein McDonald. Als wir drin waren, kam uns eine ältere Frau entgegen und wollte uns mit den Worten „Ihr kommt aus dem Osten!“ 5 DM in die Hand drücken. Wir mussten sie annehmen und unbedingt dort was kaufen. Meine Frage an sie war, wie sie uns als Ostler erkannt hat. Ihre Antwort war: „Ihr habt so leuchtende Augen.“ Danach schlugen die Studenten vor, noch mit in ihre Stammkneipe in der Nähe zu kommen, um zu feiern. Dort war es ca.1 Uhr noch recht voll und als sie erfuhren, woher wir kamen, gab es ein großes Hallo. Es wurden etliche Runden spendiert. Nach einiger Zeit legte meine Frau einen 100er Ostschein auf die Theke und sagte zum Wirt, dass wir jetzt auch mal ne Runde spendieren wollten. Ihm fiel die Kinnlade runter und er lehnte ab. Da gab es großen Widerspruch unter seinen Gästen, die dazu meinten, dass wir auch für dieses Geld gearbeitet haben und er es annehmen sollte. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Gegen 3 Uhr hat sich die Versammlung aufgelöst und wir gingen zu unserem Bus, um noch etwas zu schlafen. Um 7 Uhr wurde es dann zu laut um uns herum und wir starteten Richtung Ost-Berlin zum Checkpoint Charlie. Dort mussten wir uns auch wieder in eine, allerdings kürzere, Schlange einreihen. Da kam uns ein altes Mütterchen mit mehreren Einkaufstüten entgegen und stoppte bei uns, da sie gesehen hat, dass wir aus dem Osten sind. Wir sollten die Scheibe runter lassen und sie reichte uns eine Tüte mit den Worten „Ich bin ja so glücklich, dass die Mauer endlich auf ist.“ In der Tüte waren Apfelsinen, Bananen und Schokolade. Ich bekomme sogar jetzt noch beim Aufschreiben Gänsehaut, nach 33 Jahren.
Mein Dienst auf der Baustelle hätte 6 Uhr begonnen. Bin dann gleich zum Oberbauleiter gefahren, um mich zurück zu melden. Der hat aber nur gegrinst und gemeint, dass er es toll findet, dass ich noch da bin.
Das war eine spannende Zeit, die ich nie missen möchte.
Gruß Hajo
P.S. Ich hoffe das sprengt hier nicht den Rahmen.