Mieses Wetter, Zeit ein paar Zeilen zu schreiben, und auch die Lust dazu, eine Anekdote raus zu kramen…
Die Bildqualität bitte ich zu entschuldigen, das sind fast 30 Jahre alte Dias, die durch den Scanner sind.
Wir schreiben das Jahr 1992
Hintergrund: seit meiner Begegnung mit „meinem“ ersten Bären, dem ich Auge in Auge gegenüberstehen durfte, haben mich diese faszinierenden Tiere in ihren Bann gezogen. Die Hochzeitsreise ging bei uns nicht auf ne hübsche Insel, sondern in die Kälte, um an der kanadischen Hudson Bay Eisbären zu besuchen.
Der nächste Ort meiner Sehnsucht war Kodiak Island, die Insel mit den gigantischen Braunbären im Süden Alaskas. Die konnte man nicht buchen. Zur damaligen Zeit gab es 8 Hütten an 8 Seen, die unter den Bewerbern, die sich per Post beworben hatten, verlost wurden. Die Glücklichen und die Unglücklichen wurden per Post informiert.
1990 und 1991 hatten wir Pech, 1992 erreicht uns die glückliche Botschaft knapp 4 Wochen vor „Dienstantritt“. Wir haben damals ein paar Männertouren gemacht, weil man für so eine Nummer bei der Damenwelt nicht gerade punkten kann, unsere Tochter war damals auch gerade 1 Jahr alt.
Anreise
Eilig buchen wir Flüge: Frankfurt-New York-Seattle-Anchorage-Kodiak
In New York haben wir 4 Stunden Aufenthalt. In der Zeit geruht ein Tornado über Newark zu ziehen, es darf nicht gestartet werden. Wir verpassen natürlich alle Anschlüsse, und so dauert es 2 ½ Tage, bis wir auf Kodiak landen.
Zuerst gehen wir in ein Sportgeschäft, um uns ein Gewehr zu leihen. Geht nicht, Bill Clinton hatte verfügt, dass man 6 Monate im Land sein muss, um das zu können. Ok, dann nicht. Mit Gewehr hätten wir uns etwas wohler gefühlt, aber nun ist es halt so.
Wir latschen bei extrem miesem Wetter in einen Schuppen, in dem Wasserflieger stehen. Die Frage, ob bei dem Wetter geflogen wird, wird lächelnd so beantwortet „if we don´t fly now, we will fly never“. Wir bezahlen, dann führt uns ein schwer hinkender Mensch zu unserem Flieger. Ich frage ihn, was passiert ist. Er sagt „crash at Vietnam“. Wir bekommen Ohrstöpsel, danach erfahren wir den Grund, unser Flugzeug ist eine Gruman Goose, Baujahr 1942. Super, wir dürfen quasi nen 50er feiern.
Nach einem Flug, über den man alleine schon Seiten schreiben könnte, landen wir auf dem Red Lake, und dort werden wir raus geworfen mit dem Versprechen, uns in einer Woche wieder abzuholen. Hütte sehen wir zunächst keine, es sei aber eine da.
Unsere Hütte
Wir gehen einige Meter durchs sehr hohe Gras, und da ist es, unser Domizil für 1 Woche. Da wir uns nichts vorgestellt hatten, kann man uns nicht enttäuschen. Die „Miete“ von 64 $ für 4 Leute und 7 Tage scheint uns angemessen zu sein. Toilette und Hütte sind getrennt, was uns mal wieder zu strategischem Trinken führt, damit man in der Nacht nicht raus muss. Da liegt nämlich ein Nagelbrett, das die Bären davon abhalten soll, sich an der Türe zu schaffen zu machen.
Kulinarik
Es gibt Lachs. Das hätte einem gleich am ersten Tag fast das Leben gekostet. Er feiert noch seinen Fang, als ein Bär im Wasser auf ihn zu rast. Der Bär verfolgt einen Lachs, hat nur Augen für den, und brettert auf unseren Freund zu. Wir schreien, was die Kehle hergibt, das hören aber weder Bär noch Freund, der Fluss ist zu laut. Als wir mit dem Desaster rechnen, sehen sich Bär und Mensch. Der Bär bremst, schaut und geht. Mannomann, was für ein Start in die Woche.


Um den Fisch auch ordentlich zubereiten zu können, kaufen wir vorher sogar Mandelsplitter ein. Etwas Dekadenz an dem abgelegenen Ort kann nicht schaden. Nach zwei Tagen hängt uns der Lachs aber zum Hals raus, wir werfen ihn wieder rein und behalten nur Forellen. Zum Frühstück gibt es Eier mit Speck und einer gehörigen Tabasco-Dusche. Wir danken dem Himmel, dass keine Frau dabei ist. Besonderes Vorkommnis: 1x setzt sich ein Fuchs, der den Speck gerochen hat, neben uns in die Hütte. Null Angst vor dem Menschen, er hat die fiesen Lebewesen nie kennen gelernt. Ok, eine Scheibe Speck gibt es.
Bären
Damals leben ca. 9.000 dieser großen Tiere dort. Sie sind überall, weil sie im Sommer nur im Tal sind. Die Insel an sich hat nur 9.000 qkm. Über die komplette Fläche gerechnet bedeutet das, dass je qkm 1 Bär lebt. Zu unserer Zeit müssen es 4-5 je qkm gewesen sein. Als am zweiten Tag derselbe Bär 30 Meter neben unserer Hütte liegt und uns am frühen Morgen genauso anschaut wie am Tag zuvor, erklären wir ihn zum „Hausbären“. Ab jetzt wird der, der die Türe öffnet gefragt, ob der Hausbär da ist. Und er ist, Tag für Tag.
Abenteuer
Wir sehen an einer Flussmündung in der Ferne Bären, die Lachs futtern, oder einfach nur ein Bad nehmen.
Wir beschließen mal hinzugehen, und benützen unterwegs unsere Trillerpfeifen, damit wir kein Tier überraschen. Das hohe Gras ist ein Problem, man sieht nichts, und die niedergetrampelten Schneisen zeigen, dass da Bären gelaufen sind.
Am Badeplatz angekommen, sehen wir kein Tier, sie sind weg. Dann komme ich auf die blödeste Idee meines Lebens. Ich schlage vor, den Fluss hoch zu gehen und die Trillerpfeifen mal wegzulassen, weil sie die Tiere vertreiben. Wir gehen vielleicht 300 m, sehen nichts, bleiben aber stehen, weil die Stimmung irgendwie komisch ist.
7-8 Meter vor uns steht ein Bär auf. Groß, echt groß. Das allein wäre schon ein Aufreger, es folgen dann aber noch 5 andere Bären, die uns angucken. Ich hole die Schreckschusspistole raus, und auch die „Starenschrecks“, die extrem laut knallen. 9/11 war noch nicht, hat man damals einfach eingepackt. Dann diskutieren wir 2 Dinge. Wenn man abdrückt, kommen oder gehen die Tiere? Haben alle das dringende Bedürfnis, auf der Stelle in die Hose zu machen? Bei mir ist es so, bei den anderen Leuten auch. Das nennt man Todesangst, oft davon gelesen, nie verspürt.
Wir ziehen uns zurück und beschließen, es erst knallen zu lassen, wenn uns ein Tier folgt. Das ist nicht der Fall. Wir gehen 5 km durchs hohe Gras, sehen permanent Bärenspuren, Adrenalin gibt es an dem Tag zuhauf. Unterwegs kommen wir noch einem Adlerhorst zu nahe, die Tiere machen Scheinangriffe, weil sie uns nicht dahaben wollen. Wir können aber nicht zurück. Lieber perforiert als direkt tot, das sind die Alternativen.
Wir kommen heil an unserer Hütte an, endlich durchatmen. In der Aufregung vergesse ich zu fotografieren, das ist das einzige Bild, das ich in der brenzligen Situation gemacht habe.
Die Hütten kann man nicht mehr mieten. Nun fliegt man Touristen, vornehmlich Asiaten, im Stundentakt an einen See. Dort können sie Bären von einer Plattform aus sehen. Oder auch nicht, der ständige Fluglärm vertreibt die Tiere natürlich. Manche Dinge muss man halt machen, wenn sich die Chance bietet. Oder man macht sie nie.