Ueberraschungscamper hat geschrieben: Mo 26. Jul 2021, 15:46wem oder was glaubst Du nicht und warum ?
Ich glaube dem, der sich mit den (nach meiner Einschätzung) besseren Argumenten in einem offenen Gespräch gegenüber den schwächeren Argumenten des Kontrahenten behaupten kann. Ich hege allergrößtes Misstrauen gegenüber dem, der sich nicht mit den Argumenten des anderen befasst, sondern das offene Gespräch unbedingt vermeiden will und deshalb den anderen mit Falschbehauptungen diffamiert und diskreditiert, um sich der argumentativen Auseinandersetzung zu entziehen.
Ich persönlich glaube, dass den meisten Menschen gar nicht bewusst ist, dass sie die Meinung haben wollen, die sie haben sollen, was faktisch ganz am Ende bedeutet, dass sie eigentlich gar keine eigene Meinung haben - und sie wissen das nicht mal oder halten das für ausgeschlossen. Indoktrination funktioniert nämlich nicht nur im Schulungsraum einer religös-fanatischen Ausbildung, sondern mit steter-tropfen-höhlt-den-stein-Methode auch im ganz großen Stil mithilfe der Medien. Das perfide daran ist, dass das außerhalb der bewussten Wahrnehmung passiert, man ist sich dessen also gar nicht bewusst. Gerade wer sehr medien-affin ist und sich seine Meinung aus zig Publikationen bildet, weiß häufig gar nicht, dass hinter diesen zig Publikationen immer der gleiche Kreis von institutionellen Investoren als Eigentümer steht... die letztlich ein zielgerichtetes Meinungsmanagement betreiben.
Ich habe mir vor einiger Zeit mal ein Zitat notiert, kann sogar hier gewesen sein - weiß aber nicht mehr genau, von wo das war. Ich fand das jedenfalls unglaublich treffend:
„Wissen und Nichtwissen ist etwas sehr schwieriges. Wir wissen natürlich ganz viel nicht. Das ist dann nicht schlimm, wenn man wie Sokrates sagt "ich weiß, dass ich nichts weiß"... das macht bescheiden. Also etwas nicht zu wissen und zu gleich zu wissen, dass man etwas nicht weiß, ist nicht so schlimm, als etwas nicht zu wissen und gar nicht zu wissen, dass es überhaupt etwas zu wissen gibt.
Jemand, der gar nicht weiß, dass es etwas zu wissen und zu verstehen gibt, ist überzeugt, dass die Grenzen seines Wissens und Verstehens die Grenzen des Wissens und Verstehens schlechthin sind und somit andere auch nicht mehr wissen oder verstehen können als er selbst.“
Wenn Leute also gar nicht wissen, das es überhaupt etwas zu wissen gibt, weil sie eben durch die Indoktrination davon ferngehalten werden, dann basiert deren Meinung nur auf den Behauptungen anderer, die ihnen gesagt haben, was sie glauben sollen. Ich denke heute, dass es völlig sinnlos ist, sich bei diesem Hintergrund auf ein Gespräch einzulassen.... was meistens dann sowieso in Streit ausufert.... und wenn ich irgendwann das Gefühl von Hanlon's Razor habe, ziehe ich mich heute sofort zurück. Glauben sollte man imho das, was man selber überprüft hat. Das macht es aber notwendig, sich konkret mit den Argumenten derer auseinanderzusetzen, die eine andere Sichtweise vertreten oder denen man eigentlich nicht glauben will... denn es besteht ja immer die Möglichkeit, dass die doch Recht haben.
Was ich sagen will ist, mit Glauben kommt man nicht weit... wer sich der Prüfung der anderen Argumente verwehrt oder sie nur selektiv und zielgerichtet darauf prüft, um seinen einen Glauben zu zementieren, ist eigentlich bei Problemlösungen kein adäquater Teilnehmer, sondern tatsächlich mehr ein Teil des Problems. Wer 'nur' glaubt, vertraut auf dem, was andere ihm gesagt haben, ohne es mit der Frage
"Ist das wirklich so?" geprüft zu haben. Prüfen bedeutet aber nicht, die gleiche Aussage an 50 verschiedenen Quellen zu lesen/hören/sehen, sondern sie mit so viel wie möglich vorhandenen Gegenargumenten zu konfrontieren.