Drei Monate lebe ich nun wieder in meiner "alten" Welt.
Das man sie zuerst einmal unangenehm empfindet ist klar. Kann man mit dem Montag nach einem langen Wochenende vergleichen oder mit dem ersten Urlaubstag nach langen Ferien.
Aber nein. Vieles, zu vieles hier drückt. Die unangenehmen Erfahrungen überwiegen bei Weitem. Die Arbeitskollegen gehen sehr freundlich mit mir um. Aber ich bemerke die Stimmung. Es geht meist nur um Selbstdarstellung, Machtspielchen, Kohle und Status. Nichts echtes. Man lebt um zu Arbeiten, Familie, Spaß und Freizeit stehen weit im Hintergrund. Leute die mit wenig, sei es Bürgergeld oder einem Teilzeitjob auskommen gelten in meinem Umfeld meist als "Looser" oder faul.
Die Gespräche in der Familie drehen sich nur um Terminorganisation, Stress, schlechte Zeiten und miese aussichtslose Wirtschaft. Und um die nicht mehr zu bewältigende Pflege des Anwesens. Meine Mutter kommt mit ihrer Situation des fortwährendem "Pflegefalls" nicht klar. Ich kann ihren Wecker nicht zurückdrehen, bekomme aber regelmäßig ihren Frust ab. Mein engster und längster Freund kaut die immer wieder gleichen Probleme mit "keinen Bock mehr auf Arbeit, das Leben daheim zur Gewohnheit und das Wetter unerträglich." durch. Nervt, weil ich genau die Knöpfe kenne, die er drücken muss. Die Nachrichten und Geschehnisse sind unfassbar. Da, wo ich als kleiner Junge mit meiner Oma Eis gegessen hab, fliegen kleinen Kindern heute Glassplitter ins Gesicht, weil dunkelhäutige zwielichte Personen sich mit Brandsätzen aus der Welt exen. Überhaupt bemerke ich bei ganz vielen Menschen kurze Zündschnüre, Gereiztheit und Unzufriedenheit. Ventile dagegen sind wohl Konsum, oft Garagengold. Da blühen die Augen meiner Gesprächspartner kurz auf.
Das Wetter muss ich nicht kommentieren.

Der Sommer ist Granate
Oft werde ich gefragt, in den letzten Wochen, warum ich so still bin und die Dinge um mich rum geschehen lasse, mich auch einbringe, es aber nie kommentiere.
Auch wundert sich mein Umfeld, das mir "Quality Time" für meinen Whirlpool, für mein Moped und für mich alleine so wichtig geworden ist.
Die ehrliche Antwort, es interessiert mich nicht mehr. Ich lebe in etwa so wie ein 18 Jähriger, der von zuhause raus will. Ab und zu gucke ich auf den Kalender und grinse, wenn ich auf Ende September schaue. Dann kann ich endlich weg. Vielleicht bereue ich das irgendwann mal oder sehne mich nach dem Mainstream. Ich glaub aber nicht.
Wenn ich dieses Jahr loskomme werde ich mein gewöhnliche Handynummer nur einmal die Woche zu festgelegten Zeiten aktivieren und für die alte Welt erreichbar sein.
Das wird und muss reichen.
Und das ist kein Jammern. Ich bin mir meinem hohen Privileg bewusst, ein halbes Jahr hier aussteigen zu können. Was aber schön wäre, wenn man sich in beiden Welten pudelwohl fühlen könnte. Und da auch viele Gleichgesinnte in meiner neuen Welt solche Erfahrungen berichteten, läuft hier irgendwas nicht mehr rund.
Oder man hätte niemals aus der alten Welt ausbrechen dürfen, um sich keine lange Nase zu machen.
LG
Sven